Indikationen, Krankheitsbilder

Depressionen

Anhaltende gedrückte, tieftraurige Stimmung,  stark ausgeprägte Niedergeschlagenheit, das Empfinden  emotionaler Abstumpfung, Gefühllosigkeit, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel, hohe Erschöpfbarkeit, verlängerte Erholungszeiten können Symptome einer Depression sein. Die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit kann stark abnehmen. Ebenfalls können belastende Schuldgefühle und das Empfinden von Selbstwertlosigkeit aufkommen. Von einer Depression  spricht man, wenn diese Symptome länger als zwei Wochen bestehen. Bei einer depressiven Erkrankung sind häufig negative und pessimistische Zukunftsgedanken vorhanden. Auch lebensmüde Gedanken treten gehäuft auf, die eine Behandlung unbedingt notwendig machen. An körperlichen Symptomen können Schlafstörungen, eine verkürzte Schlafdauer, frühmorgendliches Erwachen, Stimmungsschwankungen, die sich im Laufe des Tages verändern können, Appetit- und Gewichtsverlust vorkommen.

Die Depression gehört zu den häufigen Erkrankungen in unserer westlichen Gesellschaft. Etwa jeder 10. Mensch erlebt in seinem Leben eine depressive Episode. Frauen sind dabei häufiger betroffen sind als Männer. Gehäuft treten Depressionen im 2.-3. Lebensjahrzehnt, bei Frauen in den Wechseljahren und bei Männern mit Beginn des 6. Lebensjahrzehntes auf. Die Erkrankung wird häufig medikamentös oder psychotherapeutisch behandelt. Eine kombinierte Behandlung ist möglich und oft sinnvoll.

Angsterkrankungen

Angst gehört grundsätzlich zur emotionalen Grundausstattung des Menschen. Wenn Angstsituationen auftreten, führen diese auch beim seelisch Gesunden zu entsprechenden körperlichen Reaktionen (Erhöhung des Blutdrucks, Steigerung der Pulsfrequenz, starkes Schwitzen). Im therapeutischen Sinn sind für die Diagnose einer Angsterkrankung jedoch nicht diese natürlichen Phänomene, sondern z.B. das Auftreten situationsunangemessener, spezifischer Ängste, sogenannte Phobien, gemeint. Manche Menschen erleben stärkste Ängste z. B. vor Tieren, Spinnen, Brücken. Oder sie ängstigen sich vor zwischenmenschlichen Kontakten und leiden unter sozialer Phobie. Menschen mit Angsterkrankungen erleben auch zielgerichtete Ängste, z. B. beim Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Autofahrten, beim Aufenthalt in Kaufhäusern, Anstehen in einer Warteschlange, Fahrstuhlfahrten. Andere haben schreckliche Angst vor engen Räumen, vor einer schweren körperlichen Erkrankung oder vor großen Plätzen. Panikstörungen mit plötzlicher, „aus heiterem Himmel“ auftretender Angst, gehören ebenfalls zu dieser Erkrankungen. Angsterkrankungen gehen mit  körperlichen Symptomen einher. Ihnen ist gemeinsam, dass es früher oder später zu Vermeidungsverhalten kommt, welches zwar kurzfristig hilft, später die Symptomatik aber zunehmend verstärkt. Typisch ist die „Angst vor der Angst“, die Erwartungsangst. Durch die Vermeidungsstrategien wird der Handlungs- und Bewegungsraum häufig immer mehr eingeschränkt.  Aufgrund der unterschiedlichen Entstehungstheorien je nach therapeutische Ausrichtung gibt es auch unterschiedliche therapeutische Behandlungsansätze. Sowohl tiefenpsychologisch fundierte, als auch verhaltenstherapeutische Behandlungen können bei Angsterkrankung erfolgreich zum Einsatz kommen. Die Angsterkrankung gehört auch zu den häufigen psychischen Erkrankungen. Etwa 3-10 % aller Menschen in unserer Gesellschaft erleben in ihrem Leben eine Angsterkrankung. Frauen sind drei- bis viermal häufiger betroffen als Männer. Bei frühzeitiger Behandlung ist der Verlauf der Erkrankung günstig.

Neurotische Störungen

Der Begriff Neurose wurde von Sigmund Freud geprägt und stammt somit aus der Theoriebildung der Psychoanalyse. Als Neurose werden psychische Störungen beschrieben, die infolge eines verdrängten Konfliktes aus der frühen Kindheit entstanden sind. Weil die damaligen Gefühle des Kindes zu schmerzhaft waren oder zu große Angst auslösten, wurden sie zum Selbstschutz in den Bereich des Unbewussten verdrängt und stehen der erwachsenen Persönlichkeit nicht mehr bewusst zur Verfügung. Durch eine aktuelle auslösende, dem ursprünglichen ungelösten Konflikt  ähnliche  Situation können aber solche unbewussten Konflikte wieder aktiviert werden. Sie können auch noch Jahrzehnte später zur Symptombildung, wie z. B. Angst, Depression, Zwangsymptomen oder psychosomatischen Symptomen führen, denen nachweislich keine organische Ursache zugrunde liegt. Oft ist ein innerer Leidensdruck vorhanden, der die Betroffenen in die Psychotherapie führt. Bei der Behandlung von Menschen mit einer neurotischen Erkrankung kommen in der Regel psychodynamisch arbeitende Therapieverfahren wie analytische Psychotherapie (AP), tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP), katathym-imaginative Psychotherapie (KIP) oder das Psychodrama erfolgreich zur Anwendung.

psychosomatische Erkrankungen

Körper und Seele stehen in einer kontinuierlichen Wechselwirkung. Seelische Konflikte, verdrängte belastende frühkindliche Beziehungserfahrungen oder Traumata können die körperlichen Funktionen erheblich beeinflussen und psychosomatische Krankheitssymptome verursachen. Die Symptomatik ist vielfältig und kann alle Organsysteme betreffen. Häufig werden zunächst organische Ursachen vermutet, die zu wiederholten körperlichen Untersuchungen und Eingriffen führen, ohne dass eine körperlich auslösende Ursache für die Krankheit gefunden werden kann. Häufig liegen komplexe Störungen im sozialen, im persönlichen und familiären Umfeld vor. Die Erkrankungen sind oft langwierig und in ihrem Ausmaß sehr wechselhaft. Es können einzelne Organe oder aber auch ganze Organsysteme wie z. B. das Herz, Magen-Darmtrakt, Haut, Nieren-, Blasen- und Geschlechtsorgane betroffen sein. Zu diesen Erkrankungen zählt man z.B. auch psychogene Rücken- und Kopfschmerzen, das Reizdarmsyndrom, die somatoforme Schmerzstörung und funktionelle Stimmstörungen. Körperliche Symptome haben auf der psychosomatischen Perspektive ein Doppelgesicht: einerseits sind sie Ausdruck der Überforderung psychischer Regulationsmöglichkeiten. Sie verweisen auf ungelöste, unbewusste Konflikte. Andererseits stellen sie auf der unbewussten Ebene auch eine Art Lösungsversuch dar, die ein neues Gleichgewicht ermöglichen- wenn auch auf einen reduzierten Funktionsniveau. Diese Symptome dienen daher einer vorläufigen psychischen Stabilisierung. Die psychotherapeutische Behandlung erfordert viel Geduld. Hierbei werden mit speziellen Behandlungstechniken, z.B. unter Einsatz der katathym-imaginativen Psychotherapie (KIP) körperliche Symptome in die „Sprache der Seele und Gefühle“ übersetzt“ und somit dem Bewusstsein besser zugänglich gemacht. Neue, gesündere Handlungsstrategien können so gemeinsam mit dem Therapeuten erarbeitet werden

Psychoonkologie

Die Konfrontation mit der Diagnose einer Krebserkrankung stellt für die Betroffenen ein zutiefst erschütterndes Lebensereignis dar. In jeder Phase der Erkrankung kann es zu krisenhaften Zuspitzungen oder zur Entwicklung einer psychischen Miterkrankung kommen. Häufig können depressive Verstimmungen, Angst, psychosomatische Beschwerden oder Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung hinzukommen. Diese können einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfen. Während es in der Anfangsphase zunächst um Stressreduktion, emotionale Stabilisierung, Ressourcensuche und Stärkung von Kompetenzen geht, liegt im weiteren Krankheitsverlauf der Schwerpunkt oft auf der Auseinandersetzung mit den häufig als unerträglich empfundenen Gefühlen, die mit der Erkrankung verbunden sind. Auch die Verarbeitung des Verlusts von körperlicher Integrität wird erforderlich. Eine weitere Aufgabe ist die Unterstützung beim Durchstehen der anstrengenden Behandlungen wie Operationen, Chemotherapie und Bestrahlungen. Hinzu kommt die Unterstützung bei der Bewältigung quälender und ängstigender Symptome wie Schmerz, Übelkeit und Atemnot. Weitere Behandlungsziele sind der Erhalt von Eigenständigkeit und Würde, das Eröffnen neuer Perspektiven , auch wenn die Lebenserwartung durch die Krebserkrankung infrage gestellt erscheint.

Psychische Reaktionen auf schwere körperliche Erkrankungen und Belastungen

Ähnlich wie bei der Diagnosestellung einer Krebserkrankung kann  die Diagnosestellung einer schweren körperlicher Erkrankung das Leben von einem Moment auf den anderen „auf den Kopf stellen“ und eine schwere seelische Krise auslösen. Potenziell können alle Erkrankungen, die lebensbedrohlich oder chronisch verlaufen, z. B. Tumorerkrankungen, systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen oder Nierenversagen, schwere neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, aber auch eine HIV-Infektion solche Krisen auslösen. Menschen, die aufgrund eines Organversagens von Herz, Lunge, Leber oder Niere Organtransplantationen benötigen, können solche psychischen Krisen durchmachen. Häufig bestehen Ängste, Traurigkeit und Depression, die psychotherapeutisch gut behandelbar sind.

Analog zu den therapeutischen Strategien in der psychoonkologischen Behandlung können Menschen in solchen Krisen Hilfe erhalten.

Störungen aufgrund von Lebenskrisen, spirituelle Krisen

Im Verlauf eines Menschenlebens mit seinen vielfältigen Herausforderungen, Übergangs-und Schwellensituationen sind Menschen immer wieder gefordert, Sicherheiten aufzugeben. Oft müssen Menschen sich auf unbekannte, fremde, beängstigende Situationen einstellen, auf die sie sich nicht genügend vorbereitet haben oder von anderen zu wenig unterstützt fühlen. Solche Grenzsituation müssen nicht zwangsläufig unbeabsichtigt oder ungewollt sein. Sie können sowohl in negativ als auch positiv besetzten Zusammenhängen auftreten, wovon die betreffende Person oft selbst völlig überrascht wird. Beim Verlassen des Elternhauses für Studium und Beruf, Heirat, Geburt eines Kindes, Auslandsreisen, beim Miterleben eines Unglücksfalls, beim plötzlichen oder auch erwarteten Tod eines nahen Angehörigen, beim  Trennungs- und Verlusterfahrungen, Arbeitsplatzverlust, Beförderungen, Partnerschaftskonflikten können Überforderungen auftreten, seelische und körperliche Symptome erzeugen und  Krisen auslösen. Auch beim Übergang von kindlicher Religiosität zu erwachsener Spiritualität, z.B. bei einem Kirchenaustritt oder Konfessionswechsel können solche Lebenskrisen mit psychischer Symptombildung und Belastung auftreten. Nahtoderfahrungen infolge eines Unfalls oder Komplikationen während einer schweren körperlichen Erkrankung werden ebenfalls manchmal als extreme Grenzerfahrung erlebt, bei denen zudem oft eine große Scheu besteht, sich anderen Menschen mitzuteilen. Wenn sich die betroffenen Menschen mit diesen Erfahrungen alleingelassen und überfordert fühlen und es zur Entwicklung seelischer Symptome und Belastungen kommt, kann achtsame erfahrene psychotherapeutische Unterstützung bei der Bewältigung der Krise indiziert und hilfreich sein.

Dr. med. Birgit Koerdt-Brüning . Ärztliche Psychotherapeutin
Elsener Str. 92 - 94 . 33102 Paderborn . Telefon (05251) 8 79 72 79